Gastautor Prof. Dr. Eric Horster:

 

Innovation: Was ist das überhaupt?

Innovationen werden im Tourismus zunehmend wichtiger. Aber was meinen wir eigentlich, wenn wir von Innovationen sprechen? Wann genau ist eine Innovation eine Innovation? Und wann ist etwas eine Erfindung, mit der Gäste jedoch nichts anfangen können? Dies wollen wir einmal im nachfolgenden Beitrag klären.

 

Was sagen die Gelehrten?

Joseph Schumpeter, der wegweisende Theorien zur wirtschaftlichen Entwicklung entworfen hat, bezeichnet Innovation als etwas, das bereits besteht, aber in einer neuen Form gedacht wird. Konkret sagt er:

„The doing of new things or the doing of things that are already being done in a new way.“  (Joseph Schumpeter)

Diese sehr einfache Begriffserklärung zeigt, dass es grundsätzlich darum geht, Dinge neu zu denken. Dennoch kann die Definition davon, was unter einer Innovation verstanden wird, vielfältig sein. In einer etwas differenzierteren Annäherung an den Begriff lässt sich feststellen, dass bestimmte Grundparameter erfüllt sein müssen, damit man von einer Innovation sprechen kann.

Der Sweet Spot of Innovation

Grundsätzlich gibt es drei Elemente, die erfüllt sein müssen, damit man von einer Innovation sprechen kann. Hierzu zählt in erster Linie die Wünschbarkeit. Innovationen müssen von Gästen angenommen werden und ihre Bedürfnisse erfüllen. Auch müssen sie von denjenigen, die sie entwickeln, umsetzbar sein (Machbarkeit) und schließlich sollte sich aus ihnen, wenn sie in den Markt gebracht werden, ein veritables Geschäftsmodell ergeben (Wirtschaftlichkeit). Sind alle drei dieser Voraussetzungen erfüllt, dann spricht man vom „Sweet Spot of Innovation“.

 

 

Innovation ist immer marktgerichtet!

Was eine Innovation von einer Erfindung unterscheidet ist, dass sie in einen wirtschaftlichen Prozess eingebunden und damit immer auch marktgerichtet ist. Der Grad dessen, wie neu etwas ist, bewegt sich auf einem Kontinuum zwischen verbessernd im Sinne einer Weiterentwicklung (auch inkrementelle Innovation genannt) bis hin zu etwas ganz Neuem, was eine bestehende Lösung ablöst (disruptive oder radikale Innovation). Verbesserungsinnovationen sind in der Regel bekannt und Gäste müssen sich auf diese nicht neu einstellen. Im Gegensatz dazu sind radikale Innovationen fast immer mit vielen unbekannten Faktoren behaftet – sowohl auf der Marktebene als auch auf der Unternehmensebene.

„Invention is not disruptive. Only customer adoption is disruptive.“ (Jeff Bezos 2017)

 

Das Management von Innovation

Innovation ist ein grundsätzlich willentlich herbeigeführter Prozess, der nicht zufällig passiert. Entsprechend gibt es dazu einen Managementansatz, das Innovationsmanagement, in dem definiert wird, wie Innovationen gefördert und in bestehende Prozesse eingebettet werden können. Wichtig dabei ist – weil Innovation ja marktgerichtet ist – dass sie da ansetzt, wo Gäste Probleme haben. Diesen soll dann mit neuen Lösungen begegnet werden, die ihre Bedürfnisse im jeweiligen Moment treffen. Es stellt sich die Frage, wie diese Herausforderungen, mit denen sich die Gäste konfrontiert sehen, vereinfacht oder gelöst werden können. Innovation besteht also auch darin, Gästen eine Hilfestellung zu geben, oder ihnen lästige Dinge ganz abzunehmen. Insbesondere neue Technologien ermöglichen es, hierfür neue Lösungen zu entwerfen, weshalb Technologie und Innovation eng miteinander verknüpft, aber dennoch nicht deckungsgleich sind.

Wichtig ist es zu verstehen, dass Innovation, welche die Digitalisierung in den Blick nimmt, immer zielgerichtet sein sollte. Neue Lösungen, die auf Technologie beruhen, sollen niemals nur seiner selbst willen umgesetzt werden. Nur, weil etwas technologisch möglich ist heißt das noch lange nicht, dass es auch für den jeweiligen Service sinnvoll ist. Dies zeigen diverse Beispiele in der Hotellerie, wo Automatisierung oftmals gar nicht zu den Erwartungen der Gäste passen, die in einem Luxushotel zum Beispiel immer den persönlichen Service schätzen. Oder anders ausgedrückt:

„Wenn sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben sie einen scheiß digitalen Prozess.“ (Thorsten Dirks, ehemaliger CEO von Telefónica Deutschland im Jahr 2015)

 

Die unterschiedlichen Arten von Innovation

Wichtig ist es zu verstehen, dass Innovation über reine Produktentwicklung hinausgeht. Dabei gibt es unterschiedliche Ebenen, auf denen Innovation stattfinden kann.

 

 

Technologische Innovationen

Technologie wird oftmals dazu eingesetzt, neue Erlebnisse zu kreieren. Daher ist diese Form der Innovation eng mit Geschäftsmodellinnovationen und Produkt- und Serviceinnovationen verknüpft und dient quasi als Ermöglicher (Enabler) für andere Formen der Innovation. Ein Beispiel sind die vielerorts bereits etablierten automatischen Check-In- und Bezahlprozesse. Was Flughäfen bei der Bordkarte und Burger King bei der Auswahl und Bezahlung vorgemacht haben, wird zusehends auch in Museen und Schwimmbädern beim Einlass oder in Restaurants bei der Bestellung und Bezahlung implementiert. So können Gäste von vereinfachten Prozessen profitieren, was unter dem Begriff „Seamless Travel“ zusammengefasst wird.

Unser Methoden-Tipp:
Customer Journey Mapping

Mit dieser Methode können Sie die Reise Ihrer Gäste nachzeichnen und sich überlegen, an welcher Stelle es Sinn machen könnte, eine technologische Innovation einzusetzen.

Diese Methode im Methodenfinder entdecken (Log-In erforderlich)

Produkt- und Serviceinnovationen

Die wohl klassischste Form der Innovation ist jene, wo Produkte und Services neugestaltet werden. Auch im Tourismus wird dies durch technologischen Fortschritt gefördert. So ist dies in den vergangenen Jahren insbesondere durch Augmented- und Virtual-Reality Erlebnisse gelungen. Als prominentes Beispiel können hier AR-Erlebnisse genannt werden, wie es sie mit der Dino City in Magdeburg und Halle gibt.

Unser Methoden-Tipp:
Value Proposition Map

Diese Methode ermöglicht es Ihnen, Ihre geplanten Produkt- und Serviceerlebnisse mit den Bedarfen Ihrer Gäste abzustimmen (Problem-Lösungs-Fit).

Diese Methode im Methodenfinder entdecken (Log-In erforderlich)

Geschäftsmodellinnovation

Wenn ein bestehendes Angebot in einer neuen Form an den Markt gebracht wird, so spricht man von einer Geschäftsmodellinnovation. AirBnb ist hier ein prominentes Beispiel im Tourismus. Bereits bestehende, private Ferienwohnungen werden auf eine neue Art in Wert gesetzt. AirBnb besitzt dabei keine eigenen Ferienwohnungen, sondern bedient sich der sogenannten Sharing Economy. Ein solches Plattformgeschäftsmodell, wo eine vermittelnde Instanz wie AirBnb zwei Marktseiten (Urlauber:innen und Vermieter:innen) zusammenbringt, findet sich auch bei Flixbus, Uber, GetYourGuide und vielen weiteren touristischen Angeboten und ist das dominierende Geschäftsmodell der digitalen Ökonomie.

Unser Methoden-Tipp:
Business Model Canvas

Diese visuelle Vorlage eines Geschäftsmodells hilft Ihnen dabei, Ihr geplantes Geschäftsmodell zu durchdenken und bei Bedarf anzupassen.

Diese Methode im Methodenfinder entdecken (Log-In erforderlich)

Geschäftsprozessinnovation

Auch bei Geschäftsprozessen kann Technologie dafür eingesetzt, Erlebnisse neu zu gestalten. Im Tourismus kann bei Hotels und Restaurants die Logistik neu aufgesetzt und damit verbessert werden. Diese Neuerungen werden Gästen zunächst nur mittelbar bewusst. Dennoch können innovative Geschäftsprozesse in einer höheren Qualität und/oder geringeren Kosten münden. Wenn ein Restaurant seine Logistik zum Beispiel mithilfe von digitalen Kassensystemen wie Gastronovi automatisiert, dann kann dies dazu führen, dass Abläufe reibungsloser laufen (Gäste haben kürzere Wartezeiten), der Wareneinsatz und damit die Beschaffung automatisch berechnet wird (das Restaurant muss weniger wegschmeißen) und die Personalkosten optimiert eingesetzt werden können (das Personal hat mehr Zeit für die Bedürfnisse der Gäste).

Unser Methoden-Tipp:
Desktop Walkthrough

Mithilfe von LEGO oder Playmobil werden die Änderungen Ihrer Prozesse modellhaft nachempfunden. So können Sie bereits vor der Implementierung erkennen, welche Dinge Sie beachten müssen und können so unnötige Mehrkosten durch erforderliche Nachjustierung vermeiden.

Diese Methode im Methodenfinder entdecken (Log-In erforderlich)

Marketinginnovation

Wenn neue Technologien dazu genutzt werden, Marketing für etablierte Produkte zu machen, dann spricht man von Marketinginnovation. In der Pandemie wurde diese Innovationsform sehr deutlich. Reisebedingungen änderten sich fast täglich und Printanzeigen waren einfach zu träge, um auf diese Dynamiken angemessen reagieren zu können. Touristische Unternehmen waren gezwungen, neue Wege zu gehen, wenn sie nicht riskieren wollten, dass ihre Flyer schon nach zwei Wochen wieder veraltet sind. Über Anzeigen bei Google oder Instagram konnten sie sehr viel flexibler werben, oder die Werbung kurzfristig stornieren bzw. wieder einschalten. Viele Gastgebende nutzten ihre Kanäle auch dafür, um über Öffnungszeiten und regionale Regelungen (Masken- und Abstandspflichten) zu informieren. Es profitierten dabei jene, die sich ihre Online-Kanäle (Social Media) bereits aufgebaut und mit diesen umgehen konnten.

Unser Methoden-Tipp:
Napkin Sketch

Mit diesem, einem Werbeplakat ähnelnden, Entwurf einer Idee können Sie sehr gut auf den Punkt bringen, was Sie genau bewerben möchten und welche Vorteile diese Ihren Gästen bieten.

Diese Methode im Methodenfinder entdecken (Log-In erforderlich)

Managementinnovation

Diese Form der Innovation betrifft auf der einen Seite jene, die im Tourismus arbeiten und ist während ebenfalls der Pandemie zusehends wichtiger geworden. So wurden vielerorts neue Formen des Arbeitens (hybride Meetings, bei denen einzelne via Zoom hinzugeschaltet werden) in Organisationen erprobt und etabliert. Ziel ist es dabei auch, auf die Bedarfe der Mitarbeitenden einzugehen und so Fachkräfte zu binden und das Unternehmen damit zukunftsfähig auszurichten. Auf der anderen Seite bietet diese neue Form des Arbeitens, wo der Wechsel zwischen Freizeit und Arbeit zunehmend fließend ist (Work-Life-Blending), Chancen für innovative Angebote in Form von Co-Working-Spaces, Workation-Retreats und so weiter, was großes Potenzial insbesondere für ländliche und abgelegene Seminarhäuser bietet. Denn für kreative (innovative) Workshops und Events wird oftmals ein Kontrast zum städtisch geprägten Agenturleben gesucht.

Unser Methoden-Tipp:
Stakeholder Mapping

Ein Stakeholder Mapping visualisiert alle in einer Abteilung oder in einem Projekt beteiligten Akteur:innen und hilft Ihnen zunächst einmal, einen Überblick zu erhalten, wen Sie bei der Umstrukturierung von Arbeitsprozessen alles bedenken müssen.

Diese Methode im Methodenfinder entdecken (Log-In erforderlich)

Alles Innovation?

Wichtig ist, dass trotz aller Innovation die bestehenden Prozesse nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Es sollte also gelingen, dass in einem Unternehmen sowohl durch gezielte Störungen Dinge verändert werden, sodass der zukünftige Markt gesichert werden kann, aber gleichzeitig auch die gegenwärtige Wettbewerbsfähigkeit nicht gefährdet wird, indem diejenigen Prozesse und Services gepflegt werden, die den aktuellen Markt bedienen.

 

Weiterführende Links

Alexander Osterwalder (Entwickler des Business Model Canvas) skizziert seine Idee von Innovation: https://www.strategyzer.com/blog/posts/2016/12/19/innovation-is-dead-long-live-innovation

Tim Brown (Mitbegründer von IDEO) beschreibt, den Sweet Spot of Innovation und wie dieser mit dem Ansatz des Design Thinkings zusammenhängt: https://designthinking.ideo.com/

 

Informationen zum Autor:

Prof. Dr. Eric Horster ist seit 2012 Professor für Hospitality Management an der Fachhochschule Westküste in Heide (Holstein). Er verantwortet dort die Schwerpunkte Hospitality Management, Tour Operator Management sowie Digitalisierung im Tourismus. Durch zahlreiche Vorträge und Publikationen setzt er regelmäßig Impulse in den Bereichen digitales Tourismusmarketing, Customer Experience Management, Innovationsmanagement oder Digitale Ethik.

Seit 2020 ist er Mitglied im Deutschen Institut für Tourismusforschung. Seine Projekte dort bauen auf seinen Erfahrungen bei Projekten für das Umweltbundesamt (Fokus: Digitalisierung und Nachhaltigkeit im Tourismus) sowie der Deutschen Zentrale für Tourismus e.V. (DZT) auf, wo er am Aufbau der Wissensplattform www.opendatagermany.org mitarbeitete und in diesem Rahmen redaktionell das Handbuch „Open Data im Deutschlandtourismus“ begleitete.

In 2021 und 2022 leitete er im Auftrag des Tourismusverband SachsenAnhalt e. V. (LTV) die Ausbildung von Innovationscoaches in Tourismusorganisationen und betrieben in SachsenAnhalt. Für den LTV verantwortete er zudem redaktionell die Methoden der neuen landesweiten touristischen Innovationsplattform in 2022.

Seine aktuellen Arbeits und Forschungsschwerpunkte sind Digitales Besuchermanagement, Datenmodelle und Datenstandards, Customer Experience Management und Innovationsmanagement sowie das Themenfeld rund um Smart Destinations.

Alle Publikationen und Tätigkeiten von Eric Horster finden Sie unter: http://www.eric-horster.de


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